blind justiceMit seiner Entscheidung vom 15.11.2012 hat der Bundesgerichtshof zugleich die Grundlagen einer Haftung der Eltern für die Aufsicht von Kindern bei der Benutzung des Internet bestätigt, im komkreten Fall aber auch die Grenzen dieser Haftung aufgezeigt.

Es ging um eine Urheberrechtsverletzung mittels p2p-Filesharing, die ein 13jähriges Kind ohne Wissen der Eltern begangen hatte.  Die Täterschaft des Kindes stand fest, da die Einzelheiten bei einer Hausdurchsuchung durch die Polizei ermittelt worden waren. Die Eltern erschienen vollkommen überrascht und ahnungslos.

Der Bundesgerichtshof bestätigte in der Urteilsbegründung nochmals, dass eine Vermutung für die Täterschaft des als Anschlussinhaber ermittelten Elternteils bestehe – hier aber durch die unzweifelhafte Begehung der Tat durch das Kind widerlegt sei.

Er bestätigte dazu, dass die Eltern wegen Verletzung der Aufsichtspflicht und damit aus Rechtsgrundlagen haften könnten, die sowohl Unterlassungs-, Kostenerstattungs- als auch Schadensersatzansprüche beinhalten.  In dem ihm vorliegenden Fall sah es der Bundesgerichtshof jedoch nicht als Verletzung der Aufsichtspflicht an, das 13jährige Kind innerhalb gewisser Zeiträume unbeaufsichtigt im Internet surfen zu lassen und auch den persönlichen Computer nicht umfassend zu kontrollieren. Ein ausreichend einsichtsfähiges und den grundlegenden Geboten und Verboten der Eltern folgendes Kind dürfe nach Belehrung auch ohne lückenlose Überwachung das Internet benutzen, wenn ihm die Eltern die Teilnahme an Filesharing-Netzwerken unter Belehrung verboten haben. Erst wenn die Eltern konkrete Anhaltspunkte hätten, dass das Kind sich hieran nicht hielte, müssten Sie weitergehende Überwachungsmaßnahmen ergreifen oder den Zugang zum Computer sperren.

Der Bundesgerichtshof sah in diesem Fall also die die von einigen Gerichten weit restriktiver beurteilte Überwachungspflicht nicht ganz so eng und sanktionierten die übliche Praxis, bereits 13jährigen eine weitgehend unkontrollierte Benutzung des Internet zu ermöglichen. Ob das ädagogisch sinnvoll ist, muss man hinterfragen . zeigt doch der vorliegende Fall bereits die Gefahr und die Konsequenzen für das Kind und Dritte deutlich auf. Weitere Gefahren vor allem für die Persönlichkeit des Kindes hinsichtlich der in Filesharing-Netzwerken völlig unkontrolliert verbreiteten (Kinder-/SM-/Tier-) Pornografie, durch Ausspionieren der Äußerungen des Kindes in sozialen Netzwerken, Cybermobbing, Hacking usw waren nicht Gegenstand des Urteils.

Ob man die vermeintliche Freiheit, die infolge des BGH-Urteils bereits propagiert wurde, tatsächlich als solche begreifen und inwieweit man diese nutzen will, sollte man sorgfältig und für jedes Kind individuell hinterfragen. Wenn nämlich die nötige Einsichtspflicht des Kindes gegeben ist, die die Aufsichtspflicht einschränkt, haftet das Kind selbst für den Schaden, den ein Urheber, ein Filmhersteller oder sonstiger Betroffener etwaiger „dummer Ideen“ erleidet. Da die Verjährungsfristen für die jeweiligen deliktischen Ansprüche recht lang sind, bei Durchführung eines Gerichtsverfahrens und Erwirkung eines Urteils sogar dreißig Jahre betragen, kann die Last, die der Bundesgerichtshof – bzw. die sich auf das Urteil berufenden Eltern – den Kindern auferlegen, enorm sein.

Im vorliegenden Fall hatten die  Geschädigten das Kind nicht mit verklagt. In Zukunft mag das anders werden, wenn den Geschädigten gar keine andere Wahl gelassen wird, als die Kinder selbst zur Rechenschaft zu ziehen. Die Tendenz, die das nach einem der benutzen Filesharing-Programme „Morpheus“ genannte Urteil vorgibt, könnte insofern ein entspanntes Einschlafen der elterlichen Aufmerksamkeit mit einem Alptraum des betroffenen Kindes enden lassen.

Da letztlich außerdem bestätigt wurde, dass fahrlässig handelnde Eltern oder Eltern, die ihren Kindern die Teilnahme an Filesharing-Netzwerken erlauben, für ihre Kinder jedenfalls haften, sollte bei Beteiligung der Kinder an einer Filesharing-Straftat in jedem Einzelfall sorgfältig abgewogen und vielleicht auch eine Linie der Offenheit gegenüber dem Geschädigten in Betracht gezogen werden. Die Darlegungslast im Gerichtsverfahren dafür, nicht selbst Täter zu sein, sowie für die Verbote und Belehrungen liegt ohnehin bei den Eltern. Ist es aber erst einmal so weit gekommen, sind Kosten entstanden, die den Geschädigten in eine Zwangslage bringen. Wenn es vor diesem Hintergrund letztlich zur Klage gegen das Kind kommt, ist der Schaden, den dieses zu tragen hat, umso größer.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Leitsätzen und im Volltext finden Sie hier:
http://medien-internet-und-recht.de/volltext.php?mir_dok_id=2456

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