blind justice

Der Bundesgerichtshof hat sich in zwei Urteilen vom 26. November 2015 mit der Frage auseinandergesetzt, ob Access-Provider im Wege der so genannten Störerhaftung in Anspruch genommen werden können, wenn sie Zugang zu Websiten vermitteln, über die in großem Maße Urheberrechtsverletzungen begangen werden. Die Antwort des BGH hierzu lautet: prinzipiell ja, aber nur in Ausnahmefällen.

1. Grundgedanke der Störerhaftung und zu Grunde liegender Sachverhalt

Die Störerhaftung im Urheberrecht hat den Zweck, Rechtsschutzlücken bei der Verletzung von Urheber- und Leistungsschutzrechten zu schließen. Da die Ermittlung des tatsächlichen Täters der Rechtsverletzung häufig schwierig ist, steht der Rechteinhaber häufig vor dem Problem, dass er seine Unterlassungsansprüche nicht durchsetzen kann und auch die ihm entstandenen Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht erstattet bekommt.

Aufgrund dessen gibt es im Urheberrecht das Prinzip der Störerhaftung: demnach kann auf Unterlassung und Erstattung der Kosten der Abmahnung in Anspruch genommen werden, „wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt, sofern er zumutbare Prüfpflichten verletzt hat“, so der BGH in seiner Pressemitteilung.

Während im Rahmen der Novellierung des Telemediengesetzes vor allem die Störerhaftung des W-Lan-Betreibers zur Diskussion steht (wir berichteten), hatte sich der BGH in den vorliegenden Fällen mit der Haftung der Access-Provider zu befassen, also jener Telekommunikationsunternehmen, die Dritten den Zugang zum Internet bereitstellen. Diese sahen sich den Unterlassungsansprüchen einer Verwertungsgesellschaft bzw. von mehreren Tonträgerherstellern ausgesetzt, weil Sie als Access-Provider ihren Kunden auch den Zugang zu zwei Webseiten vermittelten, über die auf eine Sammlung von Links zugegriffen werden konnte, die das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikwerke ermöglichten, nachdem diese widerrechtlich hochgeladen worden waren.

2. Rückgriff auf den Access-Provider als Störer in Ausnahmefällen möglich

Der Bundesgerichtshof hat zunächst klargestellt, dass eine Inanspruchnahme des Access-Providers als Störer einer Urheberrechtsverletzung grundsätzlich möglich ist. Aufgrund der Sicherung eines möglichst umfassenden Rechtsschutzes für Rechteinhaber vor der Verletzung ihrer Rechte müsse das deutsche Recht die Möglichkeit vorsehen, gegen die Vermittler von Internetzugängen Sperranordnungen zu verhängen. Diese Sperranordnungen seien bereits dann zumutbar, wenn nach dem Gesamtverhältnis rechtmäßige gegenüber rechtswidrigen Inhalten nicht ins Gewicht fallen.

Eine Inanspruchnahme der Access-Provider als Störer der Urheberrechtsverletzung hat der Bundesgerichthof in den vorliegenden Fällen dennoch abgelehnt. Das Gericht hat hierzu ausgeführt, dass der Rechteinhaber zunächst „zumutbare Anstrengungen“ unternommen haben muss, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die die Rechtsverletzungen begangen haben (also bspw. der Betreiber der Website) bzw. gegen diejenigen Beteiligten, die zur Rechtsverletzung durch die Erbringung einer Dienstleistung beigetragen haben (bspw. der Host-Provider). Nur wenn eine Inanspruchnahme dieser, der Rechtsverletzung näher stehenden Beteiligten scheitern würde oder ihr bereits im Vorhinein „jede Erfolgsaussicht“ fehle, müsse zur Schließung einer Rechtsschutzlücke die Inanspruchnahme des Access-Providers zulässig sein.

Leider schweigt sich der Bundesgerichtshof darüber aus, was er unter „zumutbaren Anstrengungen“ des Rechteinhabers versteht bzw. wann einer Inanspruchnahme „jede Erfolgsaussicht“ fehle. In den vorliegenden Fällen hatten sich die Rechteinhaber darauf berufen, dass eine Inanspruchnahme der Websiten-Betreiber bzw. Host-Provider nicht möglich war, weil falsche Adressen angegeben worden waren. Im zweiten vom BGH verhandelten Fall hatte der Rechteinhaber eine Inanspruchnahme des Betreibers der Website unterlassen, weil seine Identität der Website nicht entnommen werden konnte. Diese Maßnahmen hat der Bundesgerichtshof als unzureichend beurteilt.

3. Grundsatzentscheidung, deren Praxistauglichkeit fraglich ist

Im Ergebnis mag der Bundesgerichtshof mit seinen Ausführungen zur grundsätzlichen Haftung des Access-Providers als Störer zutreffend entschieden haben; seine Ausführungen zur Frage, wann dieser in Anspruch genommen werden dürfe, werfen jedoch jede Menge Folgeprobleme auf, mit denen sich die Instanzgerichte in nächster Zeit beschäftigen werden müssen. Denn zur Frage, wie intensiv der Rechteinhaber gegen diejenigen Beteiligten vorgehen muss, die „näher“ an der Rechtsverletzung sind, erläutert der BGH nicht.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Betreiber der Webseiten ebenso wie die Host-Provider häufig unter falschen Adressen oder falschen Namen agieren aus dem Ausland agieren, dürfen in diesem Zusammenhang keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Führt man sich vor Augen, wie zäh und schwierig selbst für europäische Ermittlungsbehörden das Aufspüren der Verantwortlichen für solche Seiten ist, ist es nur schwer nachvollziehbar, dass der Rechteinhaber seine Zeit mit vermeintlich ergebnislosen Bemühungen verschwenden muss, während seine Rechte weiter in enormem Ausmaß geschädigt werden. Insbesondere in der wirtschaftlich relevanten Erstverwertungsphase ist häufig schnelles Handeln angezeigt – was dem Rechteinhaber durch diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs eher erschwert werden würde.

Es bleibt abzuwarten, wie die Instanzgerichte diese doch sehr theoretische Beurteilung des Bundesgerichtshofs mit Leben füllen werden. Sollten Sie selbst von einer Verletzung Ihrer Urheber- oder Leistungsschutzrechte betroffen sein, sprechen Sie uns an: wir können auf langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der Verfolgung solcher Rechtsverletzungen zurückgreifen und Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte kompetent betreuen. Ihre kompetenten Ansprechpartner in unserer Kanzlei sind Herr Rechtsanwalt Maximilian Heuß und Frau Rechtsanwältin Christina Wohlgemuth. Sie erreichen uns unter unserer Telefonnummer 0721/570409330 oder per E-Mail an info@nuemann-siebert.com.

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